Die Möbelstile der unterschiedlichen Epochen sind eng verbunden mit dem Architekturstil der jeweiligen Zeit, Elemente die Gebäude aus einer Epoche auszeichnen finden sich oft auch in verkleinerter Form in Möbelnstücken wieder. Die einzelnen Epochen sind nicht strikt voneinander getrennt, gerade Möbel die in der Zeit zum Ende oder Anfang einer Epoche geschaffen wurden, weisen oft Merkmale beider Stilrichtungen auf.
Die folgende zeitlich Einordnung bezieht sich auf den deutschsprachigen Raum, in anderen Länder wie England oder Frankreich gibt es Abweichungen, auch sind gerade spätere Möbelstile teils je nach Land anders benannt.
1020-1250 Romantik Möbel aus der Romantik weisen viele verspielte Details auf, große Schwünge, sind aber dennoch sehr wuchtig und klobig gestaltet. Funktionalität oder Bequemlichkeit bei Sitzmöbeln spielten kaum eine Rolle. Außerhalb von Museen existieren praktisch keine Möbel aus dieser Zeit mehr. Wenn, ist der Erhaltungszustand sehr schlecht oder sie sind schlicht für normale Verhältnisse unbezahlbar.
1220-1520 Gotik Architektonisch eine der beeindruckendsten Epochen, auch bei den Möbeln finden sich die von gotischen Kathedralen bekannten Spitzbögen und Pfeiler wieder, aufwendige und ausladende Schnitz- und Dreharbeiten. Schränke aus der Zeit weisen ebenfalls üppige Schnitzereien auf, wirken aber immer noch wie überdimensionierte Kästen oder Truhen, oft mit massiven Beschlägen. Auch hier sind Originale nur noch im Museum zu finden, selbst Möbel im gotischen Stil aus dem 19 Jahrhundert erzielen oft noch fünfstellige Europreise bei Auktionen.
1520-1650 Renaissance Die Renaissance, zu Deutsch Wiedergeburt, ist die Widergeburt der Antike und das wirkt sich auch auf die Möbel dieser Stilepoche aus: Klare Linien statt der verschnörkelten gotischen Elemente, aufgesetzte Säulen, Sockel. Erstmals finden sich Intarsien, auch Einlegearbeiten oder Marketerie genannt.
1620-1770 Barock Nicht umsonst spricht man umgangssprachlich von barocken Formen, wenn ausladende Üppigkeit gemeint ist. Barocke Möbel haben keine geraden sondern geschwungene und bauchige Formen, senkrecht Wellen, aufwendige Marketerie, Vergoldungen. In Frankreich bildet sich in der Mitte des Barock der Louis-quatorze (14) Stil heraus, höfische, barocke Prunkmöbel. Ein besonders erwähnenswerter Meister seiner Zeit ist der französische Tischler André-Charles Boulle, der als Ebenist für den Königshof Weltruhm erlangte und bis heute als Ausnahmekünstler seiner Zunft gilt. Auch wenn man über Geschmack nicht streiten soll, der Barock spaltet die Antiquitätenfreunde: Einerseits stammen die prachtvollsten Möbel aus dieser Zeit, andererseits wirken sie teils protzig und übertrieben. Der auch in Deutschland gut auf Auktionen erhältliche Klassiker ist die dreischübige Barockkommode.
1730-1770 Rokoko Das Rokoko bildet keine eigene Stilepoche, vielmehr ist es eine besondere Form des späten Barock, etwas zurückhaltender, verspielter mit weicheren Formen, verstärktem Einsatz feuervergoldeter Bronze. Noch etwas ruhiger ist die Optik bei Möbeln aus dem englischen Rokoko, als Chippendale bekannt.
1760-1815 Klassizismus Der Klassizismus, oft auch gleichgesetzt mit der späten Form, dem Empire, bildet einen deutlichen Kontrast zum Pomp vorheriger Epochen, der von den absolutistischen Königshöfen in Frankreich geprägt waren. Er setzt im wahrsten Sinne der Wortes auf klassische, gerade Formen der Antike. Säulen, Giebel die an antike Tempel erinnern, geschlossene Formen ohne hervorspringende Schnitzereien, Löwenfüße, schwarze Kontraste.
1815-1850 Biedermeier Die wohl bekannteste Epoche von Möbelstilen, zeitlich beginnend mit dem Wiener Kongress. Ein großer Teil der Objekte auf dem Antiquitätenmarkt stammt neben dem Historismus aus der Zeit des Biedermeier. Von schlichter Schönheit kaum ein anderer Stil, ausgeprägter Schwerpunkt auf Funktionalität, gerade Linien und Formen. Der Name geht auf die fiktive Spottfigur „Gottlieb Biedermaier“ (sic, mit „a“ statt „e“) die in den „Fliegenden Blättern“, einem Münchner Satiremagazin der damaligen Zeit, karikiert wurde. Das erstarkende Bürgertum, die Rückbesinnung auf das Private, Einfachheit und Gemütlichkeit, wurde damals oft kritisch gesehen. Das späte Biedermeier überraschte dann wieder mit einer Trendumkehr und mündete in der Historismus.
1850-1910 Historismus Keine anderer Möbelstil bietet eine derartige Vielfalt, man könnte fast sagen „ein Kessel Buntes“. Zum Ende des Biedermeier flammte noch einmal die Begeisterung für vergangene Epochen auf, es war die Zeit der sogenannten Stilmöbel, die nach altem Vorbild gefertigt wurden. Oft spricht man auch von Gründerzeit oder Neogotik, Neorenaissance und Neobarock. Für alle die an antiken Möbeln interessiert sind eine wunderbare Epoche, denn Stilmöbel stehen den alten Vorbildern in ihrer Qualität kaum nach und sind in großer Zahl auf dem Markt. Nicht unbedingt billig, Meisterwerke dieser Zeit kosten auch so viel wie ein Mittelklassefahrzeug, aber es gibt auch viele sehr gut erhaltene ausgesprochen schöne und günstige Historismus Möbel. Der Historismus ist keinesfalls zu verwechseln mit den neuzeitlichen Kopien und Reproduktionen antiker Möbel.
1900-1920 Jugendstil Elegant, verspielt und gleichzeitig modern. Weiche Kurven, Ornamente mit Blumen und Ranken. Heute denkt man bei Jugendstil vor allem an farbige Lampen, Kerzenständer mit halbnackten Tänzerinnen, mit wehenden Gewändern, Prozellen, Glasobjekte, Schmuck, die Leichtigkeit des Seins. Nicht ganz unbegründet, denn die Möbel der Zeit sind schön aber weit weniger spektakulär, als andere Einrichtungsgegenstände des Jugendstils.
1920-1940 Art Deco Im Art Deco kamen Formen auf, die man auch heute noch als modern, abstrakt oder sogar futuristisch ansehen würde. Hochwertige Materialien, glatte Hochglanz Oberflächen, starke farbliche Kontraste, ein eher industrielles Design.
Diese kurze Aufstellung kratzt natürlich nur an der Oberfläche, wer sich für Stilkunde und Möbelgeschichte interessiert, sollte unbedingt einen Blick auf „Das 1×1 der Möbelantiquitäten“ von Bernhard Valta werfen. Das schön bebilderte Buch liefert einen exzellenten und umfangreichen Überblick. Kein Ersatz für ein Studium der Kunstgeschichte, aber nach der Lektüre darf man sich durchaus als Möbelkenner bezeichnen.
Sehr geehrte Damen und Herren,
Ich würde gerne bezüglich des Historismus ein Buch empfehlen, weil die Vielfalt dieser Epoche in dem – sehr guten – von Ihnen Empfhlenen Werk ob ihres Umfangs zu kurz kommt. Das Werk stammt von Rainer Haaff und trägt den Titel „Prachtvolle Stilmöbel – Historismus in Deutschland und Mitteleuropa“.
Mit freundlichen Grüßen,
Florian K.
Sehr geehrter Herr K.,
danke für diese Empfehlung, das Buch von Prof. Haaff ist eindeutig ein guter Tipp. Kennen wir, sehr hochwertig, reich bebildert und einfach nur schön zu lesen. Nicht überall erhältlich, für alle Interessieren daher der Link zum Verlag.