Das börsennotierte Auktionshaus bzw. die Auktionsplattform Lauritz.com A/S ist einer der größten Anbietern antiker Möbel im skandinavischen Raum. Hervorgegangen ist die Firma, deren Hauptgeschäft die Auktionsplattform ist, aus einem familiengeführten Auktionshaus das schon 1885 gegründet wurde. Der Wandel zum reinen Onlinegeschäft und die Expansion starteten erst zur Jahrtausendwende. Inzwischen hat Lauritz neben dem Hauptsitz in Dänemark 26 Filialen, davon 13 in Dänemark, 7 in Schweden, 4 in Deutschland, eines in Belgien und eines in Norwegen.
Mitbieten kann jeder weltweit, die Registrierung läuft sehr unkompliziert, eine Kreditkarte zur Bezahlung ist aber Pflicht, denn die Begleichung von Rechnungen für ersteigerte Objekte läuft ausschließlich über den seriösen Drittanbieter AltaPay. Für jedes Objekt gibt es eine ordentliche Rechnung, inkl. Mehrwertsteuer, für Geschäftskunden die zum Widerverkauf in Deutschland einkaufen, gibt es die Möglichkeit eine Umsatzsteueridentifikationsummer zu hinterlegen.
Die Auswahl an Möbeln ist gigantisch groß, neben modernen Designklassikern aus den 50ern und 60ern (Arne Jacobsen, Charles Eames, Le Corbusier, Finn Juhl, Hans J. Wegner, Piet Hein, usw.) finden sich auch viele Antiquitäten, zeitliche Schwerpunkt Biedermeier und Historismus, vereinzelt auch Barock und dann meist Kommoden. Auch Uhrenliebhaber kommen besonders auf ihre Kosten, Omega, Tag Heuer, Rolex, Baume & Mercier, Breitling, alle Top Marken sind vertreten.
Die Suchfunktion funktioniert recht gut, ist aber nicht ganz fehlerfrei, ebenso wie die automatische Übersetzung aus dem Dänischen oder Schwedischen bei vielen Artikeln. Im Zweifel die Kategorienavigation zu bevorzugen. Schön: Der Auktionsalarm bzw. Suchagent, der individuell einstellbar ist und anschlägt, sobald ein neues Objekt dessen Titel oder Beschreibung einen bestimmtes Suchwort enthalten. Eine Macke auf der Webseite, die man kennen muss, ist die Paginierung: Ist man z.B. auf Seite 10 in der Kategorie Möbel und wechselt auf eine andere Kategorie, startet man dort ebenfalls auf Seite 10. Gibt es aber weniger Seiten, erhält man eine Fehlermeldung. Insgesamt ist die Webseite und auch die dazugehörige App eher schlicht gehalten, dafür überzeugen aber Angebot und auch die sehr detaillierten Fotos zu jedem Objekt.
Apropos Fotos, bei Lauritz.com kann man wirklich tolle Schnäppchen machen, so manche Biedermeier Kommode geht hier für unter 50€ über den Tisch, auch beliebte Möbel aus dem Neobarock oder Neorokoko erreichen selten mehr als 200€. Ein Eldorado für Käufer, allerdings empfiehlt es sich die Beschreibungen sehr genau zu lesen und sich auch bei den Fotos etwas Zeit zu nehmen. Bei Lauritz wird nichts geschönt, alle Macken, Abnutzungsspuren oder Beschädigungen sind immer eindeutig auf den Fotos erkennbar. Größere Schäden sind meist im Detail fotografiert, dennoch sollte man nicht zu sehr in Bietlaune verfallen, ohne das Objekt genau zu prüfen, denn einmal abgegebene Gebote können nicht mehr zurückgezogen werden. Der Anteil an günstigen Artikeln die nicht ganz im wohnfähigen Zustand sind, sondern kleinerer Restaurierungen bedürfen, ist hoch im Vergleich zu den traditionellen Auktionshäusern in Deutschland. Vieles davon ist aber auch für den Laien mit etwas Geschick behebbar, ohne gleich einen Restaurator zu beauftragen, man darf nur nie vergessen, dass Antiquitäten eben keine Neuware sind.
Eine großer Unterschied zu Ebay, der in Kundenbewertungen öfters kritisiert wird: Gibt jemand kurz vor Ende einer Auktion ein Gebot ab, verlängert sie sich automatisch um 2 Minuten. Hiermit soll verhindert werden, dass „Snipergebote“ in letzter Sekunde, oft automatisiert mit entsprechender Software, abgegeben werden. Wie bei der klassischen Präsenzauktion, der Zuschlag erfolgt erst, wenn wirklich kein Bieter mehr Interesse bekundet. Wir finden diese Regelung sehr fair, nicht nur für den Verkäufer, sondern auch weil der Interessent, der ohne spezielle Software vor dem Monitor sitzt, so ganz bequem ein weiteres, höheres Gebot abgeben kann und keinen Nachteil gegenüber denen die unlautere Mittel einsetzen hat.
Wichtig zu wissen: Wie bei einem normalen Auktionshaus fällt auch bei Lauritz ein sogenanntes Aufgeld für den Käufer an, also eine Entlohnung für die Dienste des Auktionshauses. Dieser beträgt 22,5% des Zuschlagpreises inkl. 15% lokale Mehrwertsteuer, oben drauf kommt noch eine pauschale Hammerschlaggebühr von 13€. Ersteigert man einen Artikel für 100€, kostet er also dementsprechend 135,50€, je höher der Preis, desto weniger fällt die Hammerpauschale ins Gewicht. Von der Höhe völlig ok, deutsche Auktionshäuser verlangen ebenfalls Aufgeld plus Mehrwertsteuer. Wer bisher nur Ebay kannte, ist aber hier möglicherweise überrascht, allerdings darf man nicht vergessen, dass Lauritz alles selbst lagert, fotografiert und verkaufsfertig macht, all das übernimmt was bei Ebay der Verkäufer selbst macht.
Konkrete Erfahrungen aus 5 Auktionen: Die Abwicklung und Bezahlung funktionieren reibungslos, alle Objekte entsprachen den Fotos. Die Versandkosten werden vorab angezeigt, allerdings versendet nicht Lauritz, die Angaben beziehen sich auf das von Lauritz empfohlene Unternehmen Windum, das man selbst (sehr komfortabel) per Onlineformular beauftragt und bezahlt. Man ist zwar frei in der Auswahl der Spedition, die kurz Abholfrist, nach der Lagergebühren anfallen würden, macht es aber schwierig, ein anderes Unternehmen von Deutschland aus zu beauftragen.
Windum liefert zuverlässig nach Hause, bis Bordsteinkante, allerdings überzeugt die Kommunikation nicht vollends. Erstmal Funkstille nach Beauftragung und Bestätigung des Transports, dann wird irgendwann kurzfristig die Lieferung angekündigt. Auch der Umgang mit den Objekten entspricht etwas mehr dem Stil klassischer Umzugsunternehmen als dem von Transporteuren von Kunstwerken und Antiquitäten. Sicher der Menge geschuldet, wir hatten keine Beschädigungen beim Transport zu beklagen, aber einige Kundenbewertungen legen nahe, dass man hier auch Pech haben kann. Da der Vertrag direkt mit Windum geschlossen wird, muss man sich unabhängig von der Empfehlung von Lauritz selbst mit dem Transporteur auseinandersetzen. Nicht dramatisch, aber suboptimal, auch wenn die Ware selbst zum Schnäppchenpreis erworben wurde.
Update 11. 12.2017: Seit dem 01.12.2017 hat Lauritz laut der eigenen Website das Transportunternehmen für Speditionslieferungen nach Deutschland, Österreich und die Schweiz gewechselt. Windum erscheint nicht mehr in der Vorschlagsliste. Alle Transporte laufen ab jetzt ausschließlich über Transportbyrån AB, den Partner der in der Vergangenheit schon für Schweden zuständig war. Erfahrungsberichte oder eigene Erfahrungen zu dieser Spedition, die auf Online Auktionshäuser spezialisiert zu sein scheint, liegen uns Stand Mitte Dezember 2017 leider noch nicht vor.
Die Transportkosten liegen oft über den eigentlichen Kosten des ersteigerten Objekts, zumindest bei Möbeln müssen 150-250€, je nach Größe, eingeplant werden, was aber andererseits ein sehr guter Preis für den Transport von Skandinavien bis zur Haustür in Deutschland sind. Trotz dieser Kosten fährt man meist erheblich günstiger als beim Erwerb eines vergleichbaren Möbels in Deutschland. Steht das gute Stück in einer der deutschen Dependancen von Lauritz und ist vielleicht sogar paketversandfähig, erfolgt die Lieferung wesentlich günstiger, ab ca. 20€.
Update 11. 12.2017: Die Transportkosten von Transportbyrån scheinen nach unseren ersten Tests (Anzeige beim Objekt im eingeloggten Zustand im Vergleich zu Abrechnungen von Windum aus der Vergangenheit) teils geringfügig gefallen, aber im Schnitt eher um ca. 20-50€ gestiegen zu sein, zumindest für Möbel.
Fazit: Wer keine perfekt restaurierten Stücke sucht, keine besondere Betreuung und Beratung sucht und einige Wochen Transport verbunden mit den Speditionskosten nicht scheut, findet bei Lauritz eine riesige Auswahl. Diese kleinen Abstriche werden mit unfassbar günstigen Zuschlagpreisen belohnt, Zuschläge weit unter 100€ sind gerade bei Möbeln eher die Regel als die Ausnahme, bei vielen Auktionen gibt es nur wenige Bieter, mit etwas Glück ist man der einzige und erhält das Objekt zum Mindestpreis. Natürlich gilt auch hier: Außergewöhnliche Möbel in tadellosem Zustand werden nicht verramscht, auch bei Lauritz findet man heftige Bietergefechte mit Zuschlägen im vierstelligen oder gar fünfstelligen Bereich.